Orientierung durch Orthodoxe Dogmatische Erläuterung Eschatologie

 

Paradies und Hölle nach der Orthodoxen Überlieferung
  Von Protopresbyter Georgios Metallinos
Vormals Dekan und Professor em. der Theologischen Hochschule, Universität Athen

Quelle: http://www.impantokratoros.gr/paradies-holle.de.aspx

Am Sonntag von Apokreos [vorletzter Sonntag vor der Großen Fastenzeit] "gedenken wir der zweiten und unverbrüchlichen Ankunft unseres Herrn Jesu Christi". Der Ausdruck "gedenken" aus dem Synaxarion bezeugt, dass die Kirche, als Leib Christi, in ihrer Gottesverehrung die Zweite Ankunft Christi als "Ereignis" erlebt und nicht als etwas, das historisch erwartet wird. Der Grund dafür ist, dass wir durch die göttliche Eucharistie in das himmlische Reich versetzt werden, in die „Überzeitlichkeit.“ Das ist die orthodoxe Perspektive, aus der das Thema von Paradies und Hölle untersucht werden soll.

 

In den Evangelien (Matth. 25) wird das „Königreich“ und das „ewige Feuer“ erwähnt. In dieser Perikope, die in der Liturgie des Sonntag von Apokreos gelesen wird, ist das „Königreich“ die göttliche Bestimmung des Menschen. Das "Feuer" ist "bereitet" für den Teufel und seine Engel (Dämonen), nicht weil Gott es so wollte, sondern weil sie nicht bereuen. Das "Königreich" ist denen "bereitet", die dem Willen Gottes treu sind. "Königreich" (= ungeschaffene Herrlichkeit) ist das Paradies, das (ewige) "Feuer" ist die Hölle („ewige Strafe“ V.46). Am Anfang der Geschichte lädt Gott den Menschen zu sich ins Paradies, in die Gemeinschaft mit Seiner ungeschaffenen Gnade. Am Ende der Geschichte steht der Mensch Himmel und Hölle gegenüber. Was das bedeutet, werden wir im Folgenden sehen. Wir betonen, dass es ein besonders zentrales  Thema unseres Glaubens ist, der Prüfstein des Christentums als Orthodoxie.

1. Himmel und Hölle werden im Neuen Testament häufig erwähnt. In Lk.23, 43 sagt Jesus zu dem Räuber "heute wirst du mit mir im Paradies sein“. Auf das Paradies aber bezieht sich auch der Räuber, als er sagt: "Herr, gedenke meiner [...] in deinem Reich." (Lk. 23,42)  Nach Theophylaktos von Bulgarien (PG 23, 1106): ”Für den Räuber bedeutete das Paradies nämlich das Königreich.“ Apostel Paulus (2.Kor. 12, 3-4) bekennt, dass er schon in dieser Welt "ins Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die kein Mensch auszusprechen vermag.“ In der Offenbarung lesen wir: "Wer siegt, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies meines Gottes steht.“(2,7) Und Arethas von Caesarea erklärt: "Paradies meint das gesegnete und ewige Leben." (PG 106,529). Paradies - Ewiges Leben - Reich Gottes sind identisch.

In Bezug auf die Hölle: Matth. 25,46  (hingehen  "…in ewige Pein") 25,41 („in das ewige Feuer“), 25,30 („in die Finsternis draußen“), 5,22 ("Höllenfeuer").

Joh. 4,18 („…denn die Furcht rechnet mit Strafe“). Auf solch unterschiedliche Weise wird ausgedrückt, was wir mit „Hölle“ meinen.

2. Himmel und Hölle sind nicht zwei verschiedene Orte. Diese Auffassung ist heidnisch. Es handelt sich um zwei verschiedene Zustände (Weisen), die aus derselben ungeschaffenen Quelle entspringen und als zwei unterschiedliche Erfahrungen erlebt werden. Besser gesagt, es ist dieselbe Erfahrung, die vom Menschen unterschiedlich erlebt wird, entsprechend seinen inneren Voraussetzungen. Dieses Erlebnis ist der Anblick Christi im ungeschaffenen Licht Seiner Gottheit, in Seiner "Herrlichkeit". Vom Moment seiner Zweiten Ankunft bis in alle unendliche Ewigkeit werden alle Menschen Christus in Seinem ungeschaffenen Licht sehen. Und dann werden "die das Gute getan haben, (...) zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht." (Joh.5.29). Vor dem Angesicht Christi werden die Menschen geteilt ("Schafe" und "Böcke", zu Seiner Rechten und zu Seiner Linken). Es werden also zwei Gruppen unterschieden: diejenigen, die Christus sehen werden, wie das Paradies ("überströmendes Licht") und diejenigen, die ihn sehen, wie die Hölle ("verzehrendes Feuer" Hebr.12, 29).

Himmel und Hölle sind dieselbe Realität. Dies wird auf den Ikonen von der Zweiten Ankunft dargestellt. Von Christus geht ein Fluss aus, strahlend wie ein goldenes Licht im oberen Teil, wo sich die Heiligen befinden, und ein Strom von Feuer im unteren Teil, wo sich die Dämonen und die Unbekehrten („die niemals Reue gezeigt haben“, wie es ein Troparion sagt) befinden. Deshalb steht in Lukas 2,34 geschrieben, dass Christus "dazu bestimmt ist, dass viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden.“ Für diejenigen, die Ihn annehmen und der von Ihm angebotenen Heilung des Herzens folgen, wird er die Auferstehung zum ewigen Leben, und für alle, die ihn ablehnen, wird er zum Sturz und zur Hölle.

Patristische Zeugnisse: Der Hl. Johannes vom Sinai (Klimakos) sagt, dass das ungeschaffene Licht Christi "verzehrendes Feuer und strahlendes Licht ist". Der Hl. Gregor Palamas (E.Π.E. 11, 498) bemerkt: "Er wird euch, wie er sagt, im Heiligen Geist und im Feuer taufen, das bedeutet, durch Erleuchtung und Qual. Denn jeder wird das empfangen, was er gemäß seinen Voraussetzungen verdient." Und an anderer Stelle (Schriften, Hrsg. Christou, II. S.145): Das Licht Christi, "obgleich es für alle zugänglich ist, so nehmen doch nicht alle in der gleichen Weise daran teil, sondern unterschiedlich…“

 So sind Himmel und Hölle nicht einfach Belohnung und Bestrafung (Verurteilung), sondern die Art und Weise wie ein jeder von uns den Anblick Christi erlebt, entsprechend dem Zustand seines Herzens. Gott bestraft schließlich nicht, wenn auch aus pädagogischen Gründen und in der Heiligen Schrift von Strafe die Rede ist. Je geistlicher jemand wird, desto besser versteht er die Sprache der Heiligen Schrift und unserer Überlieferung. Die Zustand des Menschen (rein-unrein, mit Reue-ohne Reue) gibt den Ausschlag, wie wir Sein Licht aufnehmen, als Himmel oder Hölle.

3. Das anthropologische Problem in der Orthodoxie ist, wie der Mensch in Ewigkeit Christus als Paradies schauen wird, und nicht als Hölle, d.h. wie er an Seinem himmlischen und ewigen „Königreich“ teilhaben wird. Und hier liegt der Unterschied des Christentums als Orthodoxie zu den verschiedenen Konfessionen. Letztere versprechen auch eine "Glückseligkeit" nach dem Tod. Orthodoxie ist nicht die Suche nach Glückseligkeit, sondern die Therapie von der Krankheit der Religion, wie Vater Johannes Romanidis unausgesetzt anhand der Väter predigt. Die Orthodoxie ist ein offenes Krankenhaus innerhalb der Geschichte ("eine geistliche Arztpraxis" nach J. Chrysostomus), welche die Behandlung des Herzens anbietet ("Reinigung"), um zu seiner „Erleuchtung“ durch den Heiligen Geist fortzuschreiten, und schließlich die "Theosis", die einzige Bestimmung des Menschen, zu erreichen.  Das ist der Weg, den Vater Johannes Romanidis und der Ehrwürdige Metropolit von Nafpaktos, Hierotheos (Vlachos) vollständig beschrieben haben; es ist die Heilung des Menschen, wie ihn alle unsere Heiligen leben.

Das bedeutet es,  im Leib Christi (in der Kirche) zu leben. Das ist der Grund für die Existenz der Kirche. Das ist das Ziel des gesamten Erlösungswerk Christi. Der Hl. Gregor Palamas sagt (4. Predigt über die Parousie), dass es von Ewigkeit her der Wille Gottes für den Menschen ist, dass „er einen Platz findet in der Herrlichkeit des Göttlichen Königreichs“, dass er die Vergöttlichung (Theosis) erreicht. Das ist der Sinn der Schöpfung. Und er fährt fort: "Aber auch die göttliche und geheime Kenosis, der gottmenschliche Zustand, das erlösende Leiden, alle Mysterien (d.h. das ganze irdische Wirken Christi) waren aus göttlicher Vorsehung und Allwissenheit Vorbereitung  für dieses Ende (zu diesen Zweck)."

4. Wichtig ist jedoch, dass nicht alle Menschen diesem Ruf Christi folgen und deshalb nicht alle in der gleichen Weise an Seiner ungeschaffenen Herrlichkeit teilhaben. Darüber belehrt uns Christus im Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus (Lukas, Kap.16). Der Mensch verweigert das Angebot Christi, wird zum Feind Gottes und lehnt das Angebot ab, durch Christus erlöst zu werden. (Dies ist die Lästerung gegen den Heiligen Geist, denn im Heiligen Geist akzeptieren wir den Ruf Christi). Diese sind diejenigen, die niemals  bereut haben, die in der Hymne erwähnt werden. Gott "wird niemals zum Feind",  bemerkt Johannes Chrysostomus, wir werden Seine Feinde (feindlich gesinnt), wir weisen Ihn ab. Der Mensch ohne Reue wird dämonisiert, weil er sich dafür entscheidet. Gott will das nicht. Der Hl. Gregor Palamas sagt: „…denn das war nicht MEIN ursprünglicher Wille; ich habe euch nicht dafür erschaffen; ich habe das Feuer nicht für euch bereitet; sondern für die Dämonen, die einen unveränderlichen Hang zum Bösen haben, wird dieses unauslöschliche Feuer entzündet, denen euer eigener unbekehrter Sinn anhängt“. „Die Symbiose mit den bösen Engeln ist freiwillig (= willentlich).“ (op. cit.) Mit anderen Worten, es ist eine freie Wahl des Menschen.

Beide, der reiche Mann und Lazarus sehen dieselbe Wirklichkeit, Gott in seinem ungeschaffenen Licht. Der Reiche erreicht die Wahrheit, den Anblick Christi, aber er kann nicht wie Lazarus daran teilhaben. Lazarus „lässt sich bitten" (wird getröstet),  jener aber "leidet" (wird gequält). Die Worte Christi,  dass sie "Mose und die Propheten haben", gerichtet an jene, die noch in dieser Welt sind, bedeuten, dass wir alle unentschuldbar sind. Denn es gibt die Heiligen, die die Erfahrung der Theosis haben und die uns einladen, uns der Art und Weise ihres eigenen Lebens anzuschließen, damit wir, wie sie, die Theosis erlangen. Also sind die Verdammten, wie der Reiche, unentschuldbar.

Die Haltung gegenüber seinem Mitmenschen zeigt das Innere des Menschen, und deshalb ist dies das Kriterium des Jüngsten Gerichts bei der Wiederkunft (Matthäus Kap. 25). Das bedeutet nicht, dass der Glaube an Christus und die Treue des Menschen  übersehen werden. Dies wird vorausgesetzt, weil die Haltung dem anderen gegenüber zeigt, ob wir Gott in uns haben oder nicht. Die ersten Sonntage im Triodion (die der Vorfastenzeit) kreisen um unsere Haltung gegenüber unserem Mitmenschen. Am ersten Sonntag rechtfertigt sich der (scheinbar fromme) Pharisäer (er spricht sich heilig) und lehnt den Zöllner ab (erniedrigt ihn) Am zweiten Sonntag bedauert der "ältere" Bruder (eine Wiederholung des fromm erscheinenden Pharisäers) die Rückkehr (Rettung) seines Bruders. Auch er, der scheinbar fromme, hatte eine falsche Frömmigkeit, die keine Liebe hervorbrachte. Am dritten Sonntag wird dieser Zustand zum Kriterium für unser ewiges Leben.

5. Die Erfahrung von Himmel oder Hölle ist jenseits der Worte und der Sinne. Es ist eine ungeschaffene Realität und nicht eine geschaffene. Die Lateiner schufen den Mythos, dass Himmel und Hölle geschaffene Realitäten sind. Es ist ein Mythos, dass die Verdammten Gott aufgrund seiner Abwesenheit nicht schauen werden. Die Lateiner nahmen auch das Feuer der Hölle als etwas Geschaffenes (z.B. Dante). Die orthodoxe Tradition ist der Heiligen Schrift treu geblieben, dass auch die Verdammten Gott schauen werden (wie der reiche Mann im Gleichnis), allerdings als ein "verzehrendes Feuer." Die lateinischen Scholastiker  verstanden die Hölle als Strafe und Entzug der Schau des Göttlichen Wesens. Aus biblischer und patristischer Sicht aber ist die Hölle das Versagen des Menschen und seine Weigerung, mit der göttlichen Gnade zusammenzuarbeiten, um zur "erleuchtenden" Schau Gottes (Paradies) und zur bedingungslosen Liebe zu gelangen (vgl. 1 Kor 13,8: "sie (die Liebe) sucht nicht das Ihre“) Es gibt daher keine Abwesenheit Gottes, nur Seine Gegenwart. Deshalb ist seine Wiederkunft schrecklich. ("Oh, was für eine Stunde wird es sein,..." singen wir in den Ainous, den Hymnen des Morgengebetes). Es ist eine unwiderlegbare Tatsache, auf die sich die Orthodoxie allezeit ausrichtet („Ich erwarte die Auferstehung der Toten…“). Die Verdammten, diejenigen, die ein verstocktes Herz haben, wie die Pharisäer (Mk. 3,5 "in der Verhärtung ihres Herzens") schauen in Ewigkeit das Feuer als Rettung! Denn  ihr Zustand ist für eine andere Form des Heils nicht empfänglich. Auch sie sind "vollendet", sie erreichen das "Ende" ihres Weges, aber nur die Gerechten vollenden den Weg als Erlöste. Jene vollenden ihn als Verdammte. Für jene ist die Hölle die Rettung, weil sie während ihres Lebens nur die Freuden gesucht haben. Der Reiche im Gleichnis labte sich an seinen Gütern. Lazarus erlitt unerschütterlich  "das Übel". Das ist es, was der Apostel Paulus zum Ausdruck bringt (1. Kor. 3,13-15): "Das Werk eines jeden wird offenbar werden; jener Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch." Beide, Gerechte wie Unbekehrte gehen durch das ungeschaffene „Feuer“ der Göttlichen Gegenwart, die einen gehen jedoch unversehrt hindurch, während die anderen verbrannt werden. Sie werden ebenfalls „gerettet“, aber nur so, wie jemand, der durch Feuer hindurchging. Efthymios Zigavinos (12. Jh.) stellt fest: "Gott als Feuer, das die Reinen erleuchtet und erhellt, die Unreinen jedoch verbrennt und verdunkelt". Und Theodoret von Cyrus schreibt über das „gerettet werden“: "Man wird durch das Feuer gerettet und geprüft“, so nämlich, wie wenn jemand durch das Feuer hindurchgeht. Wenn er einen guten Schutz hat, verbrennt er nicht, andernfalls wird er zwar „gerettet“, allerdings versengt!

Das Feuer der Hölle, hat also nichts mit dem lateinischen "Purgarotium“ (Fegefeuer) zu tun, noch ist es geschaffen, noch ist es eine Bestrafung, noch ein vorübergehender Zustand. Ein solcher Ansatz verlagert die eigene Verantwortung auf Gott. Aber die Verantwortung liegt einzig und allein bei uns, ob wir Gottes Angebot des Heils (der Heilung) annehmen oder ablehnen. Der "geistliche Tod" ist die Schau des ungeschaffenen Lichts, der Göttlichen Herrlichkeit, als Feuer und Flamme. Der Heilige Johannes Chrysostomus bemerkt in seiner 9. Auslegung des ersten Korintherbriefes: „Die Hölle ist ewig… die Sünder werden bestraft im ewigen Verderben. Und das «Verbrannt werden», bedeutet, dass man der Kraft des Feuers nicht standhält." Und er fährt fort: "Und er, Paulus, sagt, es bedeutet: „er wird nicht, so wie seine Werke, völlig zum Nichts (zum „Nichtmehrsein“) verbrannt, sondern er existiert weiter im Feuer. Er betrachtet das als „Rettung“ (nämlich, dass er nicht völlig ausgelöscht wird, sondern weiter existiert) Bei uns ist es auch Brauch zu sagen: „es hat das Feuer überlebt“, wenn wir uns auf nicht völlig verbrannte Materialien beziehen.

 Die scholastischen Vorstellungen bzw. Interpretationen, die, durch Dantes Werk (Inferno), auch in unsere Welt eingegangen sind, haben Auswirkungen, die bis zu heidnischen Versionen reichen. Ein Beispiel ist die Trennung von Himmel und Hölle, als zwei unterschiedliche Orte. Das geschieht, weil nicht zwischen dem Geschaffenen und dem Ungeschaffenen unterschieden wird. Ein weiteres Beispiel ist die Leugnung der Ewigkeit der Hölle im Sinne der "Wiederherstellung" der Dinge oder der Idee vom "guten Gott" (Bon Dieu). Gott ist in der Tat "gut" (Mt. 8,17), da er allen das Heil anbietet. "Er will, dass alle Menschen gerettet werden ..." (1. Tim. 2,4). Aber das Wort Christi, das wir bei Begräbnissen hören, ist gewaltig: "Von mir selbst aus kann ich nichts tun; ich richte, wie ich es (vom Vater) höre, und mein Gericht ist gerecht“. (Joh. 5,30)  Eine Erfindung ist auch der Begriff der „Theodizee“, der in diesem Fall angewandt wird. Alles bezieht sich letztlich auf Gott (er wird retten oder verdammen), ohne die „Mitarbeit“ des Menschen als Faktor für das Heil zu berücksichtigen. Die Erlösung ist nur im Rahmen der Teilnahme und Mitarbeit des Menschen mit der göttlichen Gnade möglich. Johannes Chrysostomos schreibt: "Das Meiste, ja fast alles, ist Gottes; er überließ uns jedoch eine Kleinigkeit." Diese "Kleinigkeit" besteht darin, die Einladung Gottes anzunehmen. Der Dieb wurde gerettet, indem er das "HERR gedenke meiner!“ als Schlüssel benutzte. Heidnisch ist auch die Vorstellung von Gott, der zornig auf den Sünder ist, während Gott, wie wir sahen, "niemals zum Feind wird". Dies ist ein juristisches Verständnis von Gott, das auch dazu führt, dass die „Buße“ bei der Beichte als Strafe und nicht als Arznei (Heilmittel) verstanden wird.

6. Das Geheimnis von Himmel und Hölle wird auch im Leben der Kirche  in der Welt erfahren. Bei den Sakramenten wird die Teilnahme des Gläubigen an der Gnade verwirklicht, damit die Gnade in unserem Leben auf unserem Weg in Christus wirksam wird. Vor allem in der Göttlichen Eucharistie wird das Ungeschaffene, die Heilige Kommunion, in uns entweder Paradies oder Hölle, je nach unserem Zustand. Deshalb ist die Teilnahme an der Heiligen Kommunion mit dem ganzen geistlichen Weg des Gläubigen verbunden. Wenn wir unrein und ohne Reue hinzutreten, dann werden wir verdammt (verbrannt). Die Heilige Kommunion wird in uns zur „Hölle“ und zum „geistlichen Tod“. Jedoch natürlich nicht, weil sie sich in so etwas verwandeln würde, sondern weil unsere Unreinheit sie nicht als „Paradies“ akzeptieren kann. Da die Heilige Kommunion die "Medizin der Unsterblichkeit" genannt wird (Hl. Ignatius der Gottesträger, 2. Jh.) verhält es sich mit ihr genau wie mit einem Medikament. Wenn unser Körper nicht die Voraussetzungen hat, um es zu akzeptieren, dann hat das Medikament Nebenwirkungen und, anstatt zu heilen, tötet es. Nicht das Medikament ist dafür verantwortlich, sondern der Zustand unseres Organismus. Es muss betont werden, dass, wenn wir das Christentum nicht als einen therapeutischen Prozess akzeptieren und die Sakramente als geistliche Medizin, wir dahin geführt werden, aus dem Christentum eine Religion zu machen, d.h. wir machen es zu einem Götzenkult. Und das geschieht leider sehr häufig, wenn wir das Christentum als "Religion" verstehen.

Das gegenwärtige Leben wird unter dem Licht des  Zwillingspaares Paradies/  Hölle bewertet. "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit" empfiehlt uns Christus (Mt. 6,33). Und Basilios der Große sagt zu den jungen Leuten: "Alles was wir tun, ist die Vorbereitung auf ein anderen Lebens“. (Kap. 3) Unser Leben muss eine andauernde Vorbereitung auf die Teilhabe am „Paradies“ sein, d.h. auf unsere Gemeinschaft mit dem Ungeschaffenen (Joh. 17,3). Und das beginnt schon in diesem Leben. Deshalb sagt der Apostel Paulus: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2 Kor 6,2). Jeder Moment unseres Lebens ist von soteriologischer Bedeutung. Entweder gewinnen wir die Ewigkeit, die ewige Gemeinschaft mit Gott, oder wir verlieren sie. Deshalb tun die östlichen Religionen und Kulte, die die Reinkarnationen predigen, dem Menschen unrecht. Denn sie verlagern das Problem auf ein anderes (natürlich nicht-existierendes) Leben. EIN Leben hingegen gibt es, in dem wir gerettet werden oder verloren gehen. Deshalb fährt Basilius der Große fort, "die Dinge jedoch, die uns diesem Leben näherbringen, sollten wir lieben und ihnen aus ganzer Kraft folgen; und diejenigen, die uns nicht dorthin führen, sollten wir als etwas Wertloses missachten.“ Das ist das Kriterium des christlichen Lebens. Der Christ wählt immer das, was zu seinem Heil beiträgt. In diesem Leben gewinnen wir den Himmel oder wir verlieren ihn  und landen in der Hölle. Deshalb sagt der Evangelist Johannes: " Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat." (3.18)

Die Aufgabe der Kirche ist es daher nicht, den Menschen ins Paradies oder die Hölle zu „schicken“, sondern ihn auf das letzte Gericht vorzubereiten. Die Arbeit des Klerus ist therapeutisch und nicht moralisierend oder sittenbildend im weltlichen Sinn des Wortes. Die Essenz des Lebens in Christus wird in den Klöstern bewahrt, natürlich nur, wenn sie orthodox, d.h. patristisch sind. Der Zweck, der von der Kirche angebotenen Therapie ist es nicht, „nützliche“ Bürger und das dem Wesen nach „Nützliche“ zu schaffen, sondern Bürger des himmlischen (ungeschaffenen) Königreichs. Dies sind die Bekenner und die Märtyrer, die wahren Gläubigen, die Heiligen.

Daran wird aber auch unsere Mission gemessen: Wohin rufen wir die Menschen? In die Kirche als Hospital / Sanatorium oder zu einer Ideologie, die sich christlich nennt? Anstatt nach Heilung,  suchen wir im Allgemeinen danach, uns einen Platz im "Paradies" zu sichern. Deshalb beschäftigen wir uns   mit Festen und nicht mit Therapie. Das bedeutet natürlich nicht eine Ablehnung der Gottesverehrung. Aber ohne Askese (asketisches Leben, heilende Übung) kann die  Gottesverehrung  uns nicht heiligen. Die daraus resultierende Gnade bleibt unwirksam in uns. Die Orthodoxie verspricht niemandem, ihn in irgendein Paradies oder in irgendeine Hölle zu schicken, aber sie hat die Kraft, wie es die unversehrten und wunderwirkenden Reliquien ihrer Heiligen beweisen (Unversehrtheit=Vergöttlichung), den Menschen vorzubereiten, auf ewig die ungeschaffene Gnade und das Königreich Christi als Paradies zu schauen und nicht als Hölle.


 

Text: N.M

 

Übersetzung:  Sr. Matthaia

Artikel erstellt am: 6-11-2010.

Letzte Überarbeitung am: 6-11-2010.

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