Orientierung durch Orthodoxe Dogmatische Erläuterung Liturgische

 

 

Das Dreimal-Heilig (Teil 2)

Vater Johannes Nothhaas

 

 

Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser!

Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser!

Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser!

So betet jeder orthodoxe Christ in den Einleitungsgebeten zu jedem Stundengebet. Es ist das Dreimal-Heilig des Neuen Bundes in Anlehnung an das vom Propheten Jesaja erlebte Dreimal-Heilig im Alten Bund.

Es war im Todesjahr des Königs Usia, als dem Propheten im Tempel in Jerusalem ein Einblick in die himmlische Liturgie um den Thron Gottes gewährt wurde. Diesen umstanden, besser gesagt umschwebten, auf der Stelle verharrend, die sechsflügeligen Seraphim. „Seraphim standen über ihm; Ein jeglicher hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie." (Jes 6,1- 4 ).

Der Prophet nimmt jedoch nicht nur optisch an­der himmlischen Liturgie teil, sondern kann auch den Gesang hören, den sich die Engel gegenseitig zusingen:

„Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll." Der Engelgesang ist von solcher Wucht und Stärke, dass die Schwellen und Türrahmen des Tempels erbebten.

Diesen Bericht auf eine innere Schau zu verkürzen und psychologisch zu erklären, entspräche dem engen Weltbild des 19. Jahrhunderts. Damals hat man alle Erscheinungen, die man sich nicht mit der Vernunft deuten konnte, zu Produkten menschlicher Phantasie erklärt. Ehrlicher ist es, solche Aussagen dann lieber ungedeutet stehen zu lassen.

Sieht man sich den Wortlaut des Berichtes genauer an, so kann man die entgegengesetzte Denkrichtung erkennen. Gerade die Zusammenführung von Unfassbarem und Fassbarem, von Himmlischem und Irdischem soll hier ausgesagt werden. Das Fassbare ist die Erwähnung von Raum und Zeit (der Tempel in Jerusalem, dessen Schwellen erzittern - das Todesjahr des israelitischen Königs Usia). Das Unfassbare ist die Schau der himmlischen Liturgie. Diese Sicht der Welt umfasst eine viel größere Dimension als den innerweltlichen Rahmen mit seinen Grenzen. In einem solchen Weltbild hat Gott als Schöpfer und Wirker in der Geschichte der Menschen noch Platz. Hier ist Gott noch Person und nicht verkleinert auf das fromme Denken eines Menschen und seine Gottesvorstellung.

Daher ist es denn auch nicht verwunderlich, dass diese Schau der überirdischen Liturgie einmündet in einen Dialog zwischen Gott und dem Propheten. Es ist die Berufung Jesajas in sein prophetisches Amt. Vor der Heiligkeit Gottes erkennt er sich als ein Mann unreiner Lippen. Hier ist etwas entscheidend Wichtiges gesagt über das Reden der Bibel von der Sünde. Man kann diese nur im Angesicht Gottes ganz erkennen und ernst nehmen. Die Berufungsgeschichte Jesajas kann auch einem Menschen unsrer Zeit sagen, was Sünde ist: die Unvereinbarkeit der eigenen Existenz in ihrem jetzigen Zustand mit der Heiligkeit Gottes. Sünde ist weit umfassender und tiefer greifend als das Ubertreten von Geboten. Sie ist, wie es das deutsche Wort sagt, Trennung - Trennung von Gott. Erst aus dieser Erfahrung heraus wird deutlich, was das Wort heilig beschreibt.

Heilig ist das die Sünde verzehrende göttliche Feuer. Dieses kommt auf den Propheten zu in Gestalt des Engels mit der von einer Zange gefassten glühenden Kohle, mit er die Lippen Jesajas berührt und spricht: „Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Missetat von dir genommen werde und deine Sünde versöhnt sei." Wie es der Engel sagt, ist die Sünde des Propheten getilgt, er ist mit Gott versöhnt und kann nun zu seinem Boten werden. Es folgt dann die Berufung des Propheten, in die er dann auch einsteigt. Heilig ist also der Zustand, in dem der Mensch wieder heil ist, mit Gott versöhnt ist.

Heiliger Gott ist also das Bekenntnis zu Gott als demjenigen, der das Heil schafft, der die Menschen wieder mit sich versöhnt.

Heiliger Starker ist das Bekenntnis zu Gott, der stärker ist als die Sünde, die den Menschen von Gott trennt. Im alten Testament ist diese Überwindung der Sünde durch Gott punktuell, d. h. zeitgebunden. Gott hat seinem erwählten Volk das Gesetz offenbart, mit dessen Befolgung es immer wieder versucht zu Ihm zurückzukehren. Dieser Weg schafft jedoch kein endgültiges Heil, sondern offenbart nur die Sündhaftigkeit des Menschen. Daher geht Gott den Weg in die tiefste Tiefe der Gottesferne, um den Urheber der Sünde zu überwinden. Der Gottessohn steigt herab vom Himmel, wird Mensch und dringt ein in das Reich der Gottesfeindschaft, in das Reich des Todes. Dieser muss den Mensch Gewordenen und Gekreuzigten aufnehmen, wie er jeden Toten verschlingt. Doch an dem gekreuzigten Gott beißt er sich die Zähne aus. Er kann ihn nicht in sich behalten. Er ist für ihn „unverdaulich". Er muss ihn wieder hergeben. Der in den Tod eingedrungene Jesus Christus erweist sich als der Stärkere als Tod und Teufel. Er verlässt deren Reich wieder als Lebender mit einem neuen unzerstörbaren Leib. Dieses Bekenntnis zu Gott als dem Stärkeren ist begründet durch den Sieg des Auferstandenen über den Hades.

Nicht nur kann er sich von dessen Macht befreien. Auch die ganze im Tod gefangene Menschheit aller Zeiten wird am Ende der Tage bei der Wiederkunft Christi zu seinem Gericht auferstehen. Sie werden nicht als Geister vor seinem Thron erscheinen, sondern als leibhafte Personen mit einem ewig unzerstörbaren Leib. Dem Tod bleibt also nicht einmal der in der Erde eingesenkte Leib.

In diesem Sinne ist dann auch der dritte Bekenntnissatz zu Gott als dem Unsterblichen zu verstehen. Es ist das Bekenntnis zum Gottessohn, der den Tod überwunden und als Unsterblicher aus dem Hades aufgestiegen ist. Mit ihm ist in der Geschichte der gefallenen Menschheit der neue Adam erschienen. Er ist der Erstling der Menschheit mit dem unsterblichen Leib, dem alle Toten folgen werden mit gleicher Unsterblichkeit ihrer Leiber. „Tod, wo ist dein ' Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?" Die Einfahrt Jesu Christi in den Hades war ein Blitzkrieg. Mit seinem Kreuzestod durchdrang er die Tore dieses Gefängnisses der verstorbenen Menschheit. Der Herr dieser finsteren Welt konnte es nicht verhindern, das selbst dort in der Gottesferne Christus den Unwissenden das Evangelium verkündete.

 

„Die alles belebende Stimme

hörte der alles tötende Tod,

und er wurde kraftlos

und gab all seine Beute preis.

Lob dir, du Sohn des Allbelebenden!"

(Ephrem der Syrer, 3. Hymnus zur Auferstehung)

 

Artkel erstellt am: 20-6-2009.

Letzte Überarbeitung am: 20-6-2009.

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