Orientierung durch Orthodoxe Dogmatische Erläuterung Psychotherapie

 

 

Spiritualität, was ist das ?

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Vater Johannes Nothhaas

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               

Das Wort leitet sich ab von dem lateinischen Wort Spiritus und bedeutet Geist. Im christlichen Sprachgebrauch verbindet sich mit dem Wort Spiritualität sofort der Gedanke an den Spiritus Sanctus, d.h. den Heiligen Geist. Dieser wiederum ist nicht denkbar ohne sein Wirken in der Kirche. Mit seiner Ankunft am ersten Pfingsten in der Jerusalemer Urgemeinde unter Zeichen wie Sturmesbrausen und Feuerzungen erfüllt er die dort versammelten Apostel und Gläubigen mit einem begeisterten Mut, das Evangelium in aller Öffentlichkeit zu verkündigen. Ihre Botschaft trifft nicht nur auf bereitwillige Aufnahme, sondern auch auf Widerspruch, Spott, Verfolgung und Martyrium. Was diesen Sendboten des Evangeliums den Mut zu ihrer gefährlichen Aktivität gibt, sind nicht nur die Zeichen und Wunder, die sie vollbringen, sondern auch die Überzeugung, gemeinsam in der Vollmacht des Heiligen Geistes zu handeln und zu reden. Sie vertrauen darauf, dass dieser Geist sie mit der Wahrheit Gottes zur Erlösung der Menschheit ausgerüstet hat. So spricht Jesus im Johannesevangelium in seinen Abschiedsreden immer wieder vom „Geist der Wahrheit". Von ihm sagt er:

Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten" ( Joh 16,13 ).

In diesem Vers werdendrei Kennzeichen deutlich, die Spiritualität ausmachen:

1.    Träger aller Spiritualität ist der Heilige Geist ( „der Geist der Wahrheit" )

2.    Spiritualität ist auf die Gemein-schaft bezogen („wird euch leiten"),

3.    Spiritualtät zielt auf Wahrheitser-kenntnis( „in alle Wahrheit leiten" ).

[ 1 ]

Es wäre ein tiefes Missverständnis, wenn der Ursprung der Spiritualität in der Frömmigkeit des Menschen gesehen würde. Der Mensch ist nicht das Subjekt, der Erzeuger von Spiritualität, sondern ihr Objekt. Der Mensch wird ergriffen vom Geist Gottes, der allein der Garant der Wahrheit sein kann und deswegen „Geist der Wahrheit" genannt wird. Das Pfingstgeschehen damals in Jerusalem verbunden mit Sturmesbrausen und Erscheinen von Feuerzungen, die Ausgießung des Heiligen Geistes bestätigt dieses Verständnis des Geistes als eines Urhebers jenseits aller menschlichen Kraft.

[ 2 ]

Der Geist getriebene Aufbruch unter den Aposteln ist von allem Anfang an auf die Gemeinschaft bezogen und vereint die einzelnen Personen dieser Gemeinschaft zu gemeinsamem Denken und Handeln. Ohne das Personsein des Einzelnen auszulöschen und ohne ihn in der Masse untergehen zu lassen, führt der Geist die Menschen zusammen und schafft ein von allen gleichermaßen getragenes Denken und Wirken. Das Wort Spiritualität drückt dieses Wirken des Heiligen Geistes aus. Es gibt keinen Guru, der die Gemeinschaft führt, sondern gegen alle menschliche Erfahrung ist es die Schar der von Gott berufenen Diener, die die Menschen leiten.

[ 3 ]

Ebenso widerspricht es aller menschlichen Erfahrung, dass diese Schar berufener Diener in der Lage ist, gemeinsam das Zeugnis der göttlichen Wahrheit geben zu können. Dies ist nur möglich, weil es nicht Menschen sind, die diese Wahrheit erdenken; oder erkennen, sondern weil sie diese offenbart bekamen. Nur von dieser Gott gegebenen Voraussetzung her ist es ihnen möglich einen über aller menschlichen Erkenntnis erhabenen Wahrheitsanspruch zu erheben, den man von aller menschlichen Erfahrung her als hypertrophe Arroganz ansehen müsste. Aber gerade diese übermenschliche Erhabenheit wird in jenem Herrn wort des Johannesevan­geliums bestätigt. Es ist ja der Mensch gewordene Gottessohn, der den Jüngern den Geist verheißt, wenn er von ihnen gegangen sein wird. Die Autorität, die von Gott her kommt, nur sie darf diesen hohen Anspruch auf Alleingültigkeit erheben.

So sind alle drei Kennzeichen echter Spiritualität von übermenschlicher Qualität und dürfen sich nur aus diesem Grunde über alle Wahrheitserkenntnis erheben. Dieser Charakter der Absolutheit bedingt Aussagen, die sich in Form von Glaubensbekenntnissen niederschlagen. Sie enthalten Aussagen, die über Zeiten und Räume hinweg verbindlich sind, und zwar nicht als aufgezwungene Indoktrinierung, sondern als wahrer Lobpreis Gottes.

Spiritualität begnügt sich nicht damit, dass sie nur für eine bestimmte Zeit die Wahrheit ausspricht, weil dann für eine andere Zeit eine andere Wahrheit gelten müsste. Ein solcher in seiner Geltung zeitlich begrenzter Wahrheitsbegriff würde sich selbst aufhe­ben. Die Wahrheit kann es aber nur als die eine geben. Alles andere ist Irrtum. Dieser rigorose Anspruch ist nur möglich, weil solche Aussagen sich nicht auf Ideen beziehen. Diese kann der Mensch sie ja verschieden interpretieren. Hier aber geht es nicht um Ideen, sondern vielmehr um Ereignisse, die geschehen sind. Man kann sie nur annehmen oder als nicht geschehen ablehnen. Zwischen Bekenntnis und Verleugnung gibt es daher kein Drittes. Diese un-ausweichliche Alternative meint Christus, wenn er zu den Jüngern sagt: "Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den werde auch ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den werde auch ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater" (Mt 10,38ff.).

Dieses Bekennen bezieht nicht nur auf die Existenz der Person Jesu Christi, sondern auch auf alle Ereignisse, die von ihr bezeugt sind. Die Person und das sie einschließende Geschehen bilden eine untrennbare Einheit. Wir bekennen den Gekreuzigten und Auferstandenen als den in beide Geschehnisse Verwobenen. Hebt einer das Zeug­nis über diese Ereignisse auf, oder trennt er sie von der Person Jesu Christi, so hat er das Christentum aufgehoben. - So darf Spiritualität nicht verinnerlicht und auf Frömmigkeit verkürzt werden und von verbindlicher Glaubensaussage getrennt werden. Beide gehören zusammen. Die Frömmigkeit lebt von dem, was für unser Heil geschehen ist, wie dies der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief demonstriert:

Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt,... durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet. Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was auch ich empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünde nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er: auferstanden ist am dritten Tage nach Schrift; und dass er erschienen ist" ( 1. Kor 15,2f).

 

Artikel erstellt am: 28-7-2009.

Letzte Überarbeitung am: 28-7-2009.

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